Das Swingbike: Zum technikgeschichtlichen Rang einer Jahrtausenderfindung

Um es gleich vorweg zu sagen: Das Swingbike ist das technische Prinzip, das nach dem Prinzip Fahrrad kommt. Mit dem Swingbike ist es dem deutschen Maschinen- und Flugzeugbau-Ingenieur Hans Günter Bals gelungen, dem menschlichen Körper ein Antriebssystem auf den Leib zu schneidern, das völlig dessen Anatomie und Bewegungsmöglichkeiten entspricht. Da dieses nur einmal gelingen kann - behaupte ich - ist das Swingbike eine Jahrtausenderfindung: Nie zuvor war dem Menschen eine solche harmonische ganzheitliche Bewegung möglich wie bei der Nutzung von Bals' Swingtechnologie.

Öffentliche Wirkung und Wahrnehmung des Swingbikes

Swingbiken ist so faszinierend, weil man dabei als Wesen mit vier Extremitäten eine dem gestreckten Galopp angenäherte Bewegung (um ca. 90° gedreht) ausführen kann, bei der der gesamte Körper in einer anatomisch wie ergonomisch perfekten, wellenförmigen Bewegung in Form einer Sinuskurve aktiv ist. Das ist unbeschreiblich schön und auch noch überaus gesund. Mit Fahrradfahren hat das nur noch wenig zu tun.

Aber wie so viele geniale Erfindungen ist auch das Swingbike seiner Zeit voraus. Ähnlich, wie es zu Beginn des 19. Jahrhunderts die Laufmaschine, das Velociped des Freiherrn von Drais war. Das zeigen schon die Reaktionen von Passanten: Swingbikefahren löst immer große Aufmerksamkeit aus: Viefältigste Kommentare - überwiegend positiv, die häufig mit spontaner Heiterkeit einhergehen. Der unbekannte Anblick des schwingenden, wellenförmigen Bewegungsablaufs verblüfft einfach. (...cool, stark, genial, geil, das ist ja toll, das sieht gesund aus,...)

Indes belegen die zahllosen seit 22 Jahren mit vielen Zeitgenossen geführten Gespräche, dass diese zwar intuitiv positiv beim Anblick des Swingbikes reagieren, zumeist jedoch nicht wirklich verstehen, was sie sehen, nämlich eine absolut revolutionäre Idee.

Versuch einer Einordnung

Wir leben im Zeitalter des Fahrrades. Das Prinzip Fahrrad ist allgegenwärtig und weltweit das Synonym für Zweirad schlechthin. Folglich verstehen viele das Swingbike lediglich als eine Variante des Fahrrades. Doch die Genialität des Prinzips Swingbike und die historische Bedeutung seiner Konstruktion wird erst vor dem Hintergrund der Technikgeschichte des Rades verständlich.

Menschen gibt es seit einigen Millionen Jahren. Den Homo sapiens sapiens, also uns, gibt es seit vielleicht 40.000, das Rad seit ca. 6.000 Jahren. Nach archäologischen Erkenntnissen entstand es unabhängig voneinander in verschiedenen Kulturen. Bekannt wurde es vor allem durch die Sumerer (heutiger Irak), die das Rad seit ca. 4.000 v. Chr. für ihre Streitwagen nutzten. Seitdem trat es seinen Siegeszug durch die Weltgeschichte an. Es war nicht nur eine bahnbrechende Idee für die Menschheit, sondern auch das erste technisch vielseitig einsetzbare Maschinenelement, sozusagen eine Jahr-Hunderttausend-Erfindung.

Fast 6.000 Jahre lang hat die Menschheit jedoch immer nur das gleiche Prinzip in Variationen angewandt, nämlich zwei Räder mit einer Achse zu verbinden, ob eine, zwei oder drei Achsen hintereinander.

Prinzip Zweirad - zwei Räder, zwei Achsen:

Erst zu Beginn des 19. Jahrhunderts gelang eine epochale Neuerung in der Geschichte des Rades. Der badische Professor für Mechanik, Karl Freiherr Drais von Sauerbronn, setzte nicht nur zwei Räder hintereinander, sondern schaffte mit der Lenkbarkeit seiner "Laufmaschine" die Voraussetzung dafür, dass das Gefährt auch ohne Abstoßen und Halten mit den Füßen, also rollend, zu balancieren war. So konnte auch ohne Bodenkontakt der Füße über längere Strecken gefahren werden.

Das Velociped wurde damit als erstes lenkbares Zweirad zum Ursprung aller folgenden. Das begründet seinen technikgeschichtlichen Rang als Jahrtausenderfindung. In seiner Zeit jedoch wurde die Bedeutung des Laufrades verkannt und seinem Entwickler brachte es weder Anerkennung noch wirtschaftlichen Erfolg. Erst nach weiteren 180 Jahren kam das technische Prinzip Laufrad im gesellschaftlichen Alltag an - als ideale Lernhilfe für kleine Kinder zur Stabilisierung des Gleichgewichts. Im letzten Jahrzehnt hat es zunehmend an Beliebtheit gewonnen und fast das Kleinkindfahrrad mit Stützrädern abgelöst. Hier überholt das historisch ältere Prinzip einmal das jüngere ...

Schneller durch Kurbelwelle und Pedalantrieb

Seit der Entwicklung des Laufrades haben sich unzählige Tüftler und Konstrukteure mit der Frage der Übersetzung beschäftigt, also wie man schneller werden könnte, als es mit dem Laufrad zunächst möglich war. Dessen naturgemäße physische Grenze für das Fahren auf ebener Fläche war bedingt im Antrieb - durch Abstoßen mit den Füßen vom Fußboden.

Alsbald verfolgten die meisten Konstrukteure das Ziel, einen schnelleren Antrieb durch die Verwendung einer Kurbel zu lösen: An der Kurbelachse wurden zwei um 180° versetzte Pedalarme mit Pedalen durch asymmetrische Kreisbewegungen der Beine bewegt (Tretkurbel). Das erste Patent erhielt 1866 Pierre Lallement für seinen Pedalantrieb am Vorderrad. Dieses Prinzip der direkten Übersetzung (Kurbel an der Achse des immer größer werdenden Vorderrades) führte zum Prinzip Hochrad.

Das zweite Prinzip, die indirekte Übersetzung (Kurbelachse von Radachse getrennt; Kraftübertragung mittels Kette zwischen unterschiedlich großen Zahnrädern an beiden Achsen), führte zum Fahrrad. Beide Antriebsprinzipien waren etwa um 1875 herausgebildet und fanden in der Folgezeit nebeneinander Anwendung. Das Prinzip der direkten Übersetzung (Hochrad) erwies sich aus verschiedenen Gründen jedoch als technische Sackgasse. Das Prinzip der indirekten Übersetzung (Niederrad) begann als Fahrrad seine bis heute anhaltende Erfolgsgeschichte.

Wenn auch zahllose technische Verbesserungen das Fahrrad immer konfortabler und vielseitiger machten, so bleibt sein Prinzip eine Erfindung aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Ob im Sitzen oder Liegen, der Fahrer kann sich nur durch asymmetrisches Kreisen seiner Beine fortbewegen.

Natürlich wurde immer wieder versucht, ein Antriebssystem zu entwickeln, bei dem der Mensch - auf einem festen Gestell sitzend oder liegend - mehr als nur kreisende Bewegungen mit seinen Beinen ausführt. Bei der Vielfalt der technischen Ansätze findet sich aber keiner, der vergleichbar ist, mit dem des deutschen Swingbikes - ein Quantensprung in der Geschichte des Zweirades.

Das Prinzip Swingbike

Bei der Konstruktion seines völlig neuen Antriebssystems verfolgte der Maschinen- und Flugzeugbauingenieur Hans Günter Bals das Ziel: "Fahrer und Fahrzeug zu einer Einheit werden zu lassen, den ganzen Körper, alle Muskeln und den gesamten Organismus in die körperliche Leistung einzubeziehen", und fand dafür Anregung in der Natur. Die synchrone Bewegung des Geparden bei gestrecktem Galopp diente Bals als Vorbild für die Entwicklung des Swingbikes. Das geschmeidige Beugen und Strecken beim Galopp des schnellsten Säugetieres der Welt, lehrte Bals, analoge Bewegungsmuster beim Menschen zu erforschen. Auch bei uns entspricht die Bewegungsspanne zwischen Beugung und Streckung des Körpers der größt möglichen Dynamik, in die auch Arme und Beine harmonisch einbezogen werden können.

Mit dem Swingbike ist es Bals gelungen diese größte aller Körperbewegungen in ihrer Komplexität auf eine technische Konstruktion zu übertragen, deren Kinetik die rhythmische, wellenförmige Dynamik zwischen dem sich wechselnd wiederholenden Beugen und Strecken des Körpers vollständig für den Antrieb nutzt. Dabei ist die Bewegung absolut harmonisch. "Die Kraftübertragung für den Antrieb", erklärt Bals, "erfolgt über den Lenker, die beiden parallel angeordneten Pedale und den Sitz. Die Relativbewegungen dieser drei Krafteinleitungsbereiche sind zueinander so abgestimmt, dass der Körper des Fahrers im dynamischen Gleichgewicht bleibt, d.h. der Körperschwerpunkt erfährt trotz der intensiven Bewegung praktisch keine Schwankungen in der Höhe und auch nicht im Verhältnis zum Massenschwerpunkt des Fahrzeugs. Die Folge ist, dass man während der Fahrt ein dem Schweben ähnliches Gefühl empfindet".

Während beim Fahrrad für den Vortrieb nur etwa 40 Prozent der Gesamtmuskulatur genutzt werden, verteilt sich die Vortriebsleistung beim Swingbike mit mehr als 90 Prozent fast auf die gesamte Muskulatur. Es werden also nicht nur die meisten Muskeln trainiert, sondern auch die meisten Gelenke bewegt, ohne einzelne zu überlasten. Im Gegenteil sorgt die gleichmäßige Bewegung der Gelenke unter Einbeziehung des gesamten Organismus für die Produktion von genügend nährstoffreicher Gelenkflüssigkeit, mit der die Gelenke geschmiert und vor Verschleiß des Gelenkknorpels geschützt werden können.

Um nicht mit Muskelkater auf der Strecke (der Evolution) zu bleiben, synchronisieren alle Vierfüßler bei gestreckten Galopp ihren Atemrhythmus mit dem Bewegungsrhythmus. Damit sorgen sie für eine ausreichend höhere Versorgung der Muskulatur mit Sauerstoff und Nährstoffen sowie für einen besseren Abtransport der Stoffwechselrückstände.

Auch beim Swingbiken werden beide Rhythmen miteinander synchronisiert. Das mag zunächst ungewohnt sein, erweist sich jedoch schnell als ein völlig natürlicher und harmonischer Vorgang. So wird verhindert, dass selbst ungeübte Fahrer Muskelkater bekommen. Zudem werden die Lungen bestens be- und entlüftet und der gesamte Organismus mit sauerstoffreichem Blut durchflutet. Das ist unbeschreiblich und bewirkt ein Wohlbefinden des ganzen Körpers.

Fazit

Das Swingbike ist ein fahrbarer Geniestreich, einfach vollkommen: Es ist schnell und auch hervorragend für längere Strecken geeignet. Die Amplitude seiner Bewegung ist gleichmäßig, die Bewegungsfrequenz (und damit die Geschwindigkeit) lässt sich durch ein Nabengetriebe problemlos variieren und an die Gegebenheiten anpassen. Es ist nicht nur in seiner Technik revolutionär, sondern spendet auch Gesundheit, ungeahnte und unvergleichliche Bewegungsfreude, ja Lust und Lebensfreude. Das alles belegt meine Eingangsthese: Mit dem Ganzkörperantrieb des Swingbike ist eine Jahrtausenderfindung gelungen.

Der Autor ist Entwicklungssoziologe und Künstler, begeisterter Swingbiker und lebt in Berlin.